Münchner Nordosten
Entwurf eines Stadtteils
für 30.000 Einwohner
Landschaftsarchitektur:
bbz landschaftsarchitekten
Verkehrsplanung:
Obermeyer Planen + Beraten
Energiekonzept:
EGS-plan Ingenieurgesellschaft
Wettbewerb 2020, 1. Preis
Stand Bürgerbeteiligung 2024
Bruttobauland: ca. 600 ha
GFZ 1,0 – 2,7
Identität_Die Entwürfe der drei Varianten sind von der Motivation getragen im Nordosten möglichst viel zusammenhängenden Landschaftsraum zu erhalten und die bestehenden Quartiere und Dorfkerne behutsam baulich zu ergänzen und miteinander in Beziehung zu setzen. Ziel ist die Entwicklung kompakter Siedlungskörper, welche von Grünzügen gegliedert und miteinander vernetzt werden, sodass dem Landschaftsbezug im gesamten Plangebiet eine tragende Rolle bei der Identitätsbildung zukommt. Die dargestellten Nutzungsdichten stellen für den Münchner Nordosten zugleich Entwicklungsstufen dar. Die Variante für 10.000 Einwohner ist somit auch als erster Bauabschnitt für eine höhere Verdichtung in der Zukunft zu verstehen. Bei allen 3 Varianten spielen die beiden östlich der S-Bahntrasse gelegenen Dorfkerne von Daglfing und Johanneskirchen eine zentrale Rolle. Sie fungieren als Gelenke hinsichtlich der weiteren Siedlungsentwicklung und bleiben über Grünzüge mit dem offenen Landschaftsraum verbunden. Im Vergleich beider Dorfkerne kommt Daglfing aufgrund seiner zentraleren Lage die größere Bedeutung zu. Nördlich des Ortskerns wird ein neues Zentrum für den gesamten Münchner Nordosten vorgeschlagen, welches auf der Nordostseite zugleich an den Landschaftsraum grenzt, sodass hier verdichtete Stadt auf offene Landschaft trifft. Der Blick geht von hier über den neu angelegten See weit in die Landschaft des Hüllgrabens. Der Entwurf setzt ein Zeichen gegen unnötigen Flächenfraß sowie die Zersiedelung der Landschaft und schafft urbane Ankerpunkte für eine nachhaltige urbane Entwicklung auf der Höhe der Zeit. Neben dem unmittelbaren Aufeinandertreffen von verdichteter Stadt und offener Landschaft entstehen weitere Kombinationen verschiedener räumlicher Strukturen. Der abwechslungsreichen Verknüpfung von Neubauquartieren unterschiedlicher Dichte, den Siedlungsstrukturen der Nachkriegszeit, den über Jahrhunderten gewachsenen Dorfkernen, der landwirtschaftlichen Flächen, der Pferdesportflächen, der neuen Grünzüge und der intensiv nutzbaren Freizeitlandschaft kommt im Entwurf eine besondere Bedeutung zu und führt zu einer Multikodierung des Münchner Nordosten.
Freiraum_In allen drei Varianten wird eine Renaturierung des Hüllgrabens mit einer hohen Biodiversität, mäandrierendem Verlauf, einer artenreichen Vegetation und flachen Ufern vorgeschlagen. Als großer von Süd nach Nord verlaufender Grünstruktur stellt er das bestimmende Element im Übergangsbereich zwischen Stadt und Landschaft dar. Daneben prägen 3 zu Grünzügen entwickelte Freiraumstrukturen in Ost-West-Richtung die Stadtlandschaft. Im Norden bleibt der Damm der ehemaligen Güterbahntrasse als offene Trocken-Biotopfläche von hoher Bedeutung erhalten. Der mittlere Grünzug entwickelt sich aus der parkartigen Struktur des Prinz-Eugen-Quartiers in Richtung Feldkirchen. Der südliche Grünzug verläuft von Alt-Bogenhausen über den Zamilapark bis zum Park der südöstlich gelegenen Messestadt. Ein zentral von Nordwest nach Südost verlaufendes Freizeitband bietet Raum für Sport und Naherholung und verknüpft die urbanen Zentren und Dorfkerne auf kurzem Wege. Durch die neuen Quartiere verlaufen untergeordnete Grünachsen zur Verknüpfung der Freizeit-, Natur- Landwirtschafts- und Siedlungsräume. Das Freizeitband passt sich in der Größe der jeweiligen Nutzungsdichte an und beinhaltet alle Freiraumfunktionen vom Krautgarten bis zur Bezirkssportanlage. Es versteht sich als Vermittler und stellt unter dem Stichwort Stadt-Landwirtschaft Synergien zwischen Schulen, Bestandsquartieren, dem Pferdesport und ansässigen Landwirtschafts- und Gartenbaubetrieben her.
Erschließung_Um die Freizeitlandschaft und die Grünzüge so wenig wie möglich zu stören, erfolgt die Erschließung der neuen Quartiere primär über den ÖPNV. Die MIV-Erschließung führt jeweils von außen in die Quartiere, ohne eine innere Verknüpfung herzustellen. Die Verknüpfung wird über multimodale Mobilitätshubs geleistet. Hierbei handelt es sich um Quartiersgaragen kombiniert mit Sharing- und Ladeangeboten für Fahrräder und PKW an S-Bahn-, U-Bahn-, Tram- und Bushaltestellen. Neben den Quartiersgaragen werden zwei übergeordnete Park and Ride Stationen eingerichtet, zum einen im Norden am S-Bahnhof Johanneskirchen und zum anderen an einem neu eingerichteten S-Bahnhof an der Riemer Straße mit unmittelbarem Anschluss an die BAB 94.
Nachhaltigkeit_Das Konzept greift die Herausforderungen der Energiewende auf und zielt auf eine sektorenübergreifende Vernetzung der Gebäude- und Mobilitätsinfrastruktur im Münchner Nordosten. Ziel ist das „Smarte Quartier“, das eine effiziente Energieversorgung und einen ressourcenschonenden Umgang mit Baumaterialien beinhaltet. Hierzu werden möglichst viele Neubauten in Hybrid- oder Holzbauweise gemäß KfW Effizienzhaus 55 Standard oder besser errichtet. Für einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz werden alle Dachflächen konsequent mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Die erforderlichen Retentionsqualitäten werden u. a. durch eine Kombination mit extensiver Begrünung erreicht. Energiespeicher in den Mobility-Hubs sorgen für eine Spitzenlastabdeckung und genügend Leistung für die E-Mobil-Ladeinfrastruktur. Neben der Nutzung der Sonnenenergie, wird Wärme aus Tiefengeothermie erschlossen und zusätzlich Strom über einen ORC-Prozess erzeugt. Der lokal erzeugte Strom wird zur Herstellung grünen Wasserstoffs für Busse und den MIV verwendet. Die Wärmeversorgung der Gebäude erfolgt von der Geothermiezentrale über Niedertemperaturnetze (VL < 70°C). Diese bilden die Basis für eine bedarfs- und potentialabhängige, modulare Integration weiterer regenerativer Wärmeerzeuger bei der sukzessiven Umsetzung der Bauabschnitte.