Ostfeld, Wiesbaden
Entwicklung eines gemischten Stadtteils
sowie des BKA-Campus
Ein Projekt in Arbeitsgemeinschaft mit:
NUWELA
Dr. Julian Schäfer
Wettbewerb 2024
Finalist
Bruttobauland Stadtquartier: 71 ha
Bruttobauland BKA-Campus: 31,6 ha
Der Entwurf setzt auf kompakte urbane Quartiere und einen sensiblen Umgang mit der bestehenden Kulturlandschaft. Infrastruktur und Bebauung werden behutsam integriert und stehen in Beziehung zu den erhaltenen Landschaftsstrukturen. Die Vernetzung erfolgt über Frei- und Landschaftsräume, welche gleichwohl zur Gliederung und Ordnung der städtebaulichen Einheiten beitragen. Der Landschaftsbezug ist prägend für den Entwurf und stellt die Grundlage für die zukünftige Identität des transformierten Ostfelds dar. Offene Wiesen- und Ackerflächen neigen sich sanft in unterschiedliche Richtungen mit weitem Ausblick zu Odenwald, Rheinhessen, Rheingau und Taunus. Die Bebauung wird in die bestehende Topographie eingefügt, während dank akzentuierter Sichtbeziehungen in Richtung Mainz sowie zum Taunus der Bezug zur weiträumigen Umgebung deutlich wird. Viele der bestehenden Feldwege organisieren die städtebauliche Entwicklung, sodass die neuen Quartiersstraßen und Wohnwege ihnen in der Linienführung entsprechen. Die Textur der bestehenden Landschaft wird durch den Entwurf verdichtet und spannungsreicher gestaltet. Sie bietet dabei den Bewohnenden, den dort Arbeitenden sowie allen, die den Freiraum zwischen Wiesbaden, Erbenheim und Mainz-Kastel in der Freizeit besuchen, viele neue Plätze für Erholung, Naturerfahrung, Sport unter freiem Himmel und abwechslungsreiche Spaziergänge. Dabei kommt der Diversität der räumlichen Konfiguration eine besondere Bedeutung zu. Neben dem unmittelbaren Aufeinandertreffen von zum Teil verdichteter Stadt und offener Landschaft entstehen vielfältige Kombinationen räumlicher Strukturen. Die abwechslungsreiche Verknüpfung von Neubaustrukturen unterschiedlicher Dichte, den bestehenden Siedlungsstrukturen, den Jahrhunderte alten Befestigungslinien, der landwirtschaftlichen Flächen, der renaturierten Bachtäler, der neuen Gartenlandschaft und der intensiv nutzbaren Freizeitlandschaft führt zu einer Multikodierung mit unverwechselbaren Stadträumen im Wiesbadener Südosten.
STÄDTEBAU UND SIEDLUNGSENTWICKLUNG
Die wesentliche Gliederung des Bereichs Ostfeld erfolgt durch die Landschaft. Bachtäler einschl. der Zäsuren der verkehrlichen Infrastruktur, Deponiekörper und offen gelassene Steinbrüche wirken hier ebenso prägend wie die Aussicht in Richtung der Rheinebene oder zum Taunus. Auf der heterogenen Westseite Erbenheims wird die Stadt weitergebaut - hier ergänzt der BKA-Campus den gewerblich geprägten Bestand. Darüber hinaus ist die leichte Topografie um das ehemalige Fort Biehler maßgebend für den Zuschnitt und die Ausrichtung des neuen Stadtquartiers, der Biehlerstadt.
BKA-Campus_Der Campus versteht sich zwar als Ergänzung Erbenheims, wird aber aufgrund seiner besonderen Nutzung als eigenständiges Element wahrgenommen. Der Campus orientiert sich maßgeblich an der bestehenden Topographie, wodurch eine harmonische Einfügung in die Landschaft gelingt. Ausgehend von der Typologie des Hof-Blocks werden vielfältige räumliche Situationen entwickelt, die funktional eine hervorragende Abschirmung von sensiblen Nutzungen ermöglichen, aber intern auch angemessene Freiräume für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbieten. Die Gebäude folgen einer orthogonalen Struktur, deren Ausrichtung in der Campusmitte einmal wechselt. Großflächige aber flache Hallen-Kubaturen werden am westlichen Rand des Campus angeordnet und jeweils so in den Hang integriert, dass sie nur an ihren südlichen Kanten sichtbar sind und keine Immissionen für den Kalkofen bedeuten. Die potentiellen Erweiterungsflächen liegen im nordwestlichen Bereich des Campus und werden als Vorhalteflächen in den nächsten Jahren in der Form von Baumhainen bereits räumlich wirksam. Zum gesicherten Bereich des BKA- Campus werden insgesamt 4 Zugänge von Norden, Osten und Süden vorgeschlagen - davon zwei mit eigenen Schwerpunkten. Liegt der Schwerpunkt im Norden auf der MIV-Erschließung einschl. Anlieferung, so ist der Zugang von Süden auf Fußgänger und Radfahrer beschränkt, zumal hier ein Bahnhaltepunkt an der Trasse der Ländchesbahn eingerichtet wird und ein großes Parkhaus den ruhenden Verkehr außerhalb des gesicherten Bereichs abfängt. An exponierter Stelle gleich daneben wird das Besucherzentrum vorgeschlagen, welches mit allen Verkehrsmitteln optimal zu erreichen ist.
Biehlerstadt_Das neue Stadtquartier legt sich wie ein perforiertes Gewebe um das ehemalige Fort Biehler. Es beginnt im Norden mit Abstand zur Bebauung an der Boelckestraße mit einem Quartier aus verdichteten Eigenheimtypologien und 3-geschossigem Geschosswohnungsbau. In der südwestlich anschließenden Nachbarschaft erhöht sich die Regelgeschossigkeit auf 4 bis 5 und damit auch die bauliche Dichte einschl. der Nutzungsmischung. Hier beginnt unmittelbar am nördlichen Bahnhaltepunkt mit dem großen Schulcampus, dem Bürgerhaus sowie Nahversorgung ein urbanes Band, welches sich über die südlich anschließenden Nachbarschaften in der Form eines Bumerang fortentwickelt. Die 3 Nachbarschaften im Südwesten bilden einen größeren im Innenbereich stärker verdichteten Cluster, in dessen Mitte ein intensiv genutzter Stadtpark vorgeschlagen wird. Der Park erhält über einen Stadtbalkon im Westen die Verbindung zur Landschaft und mündet auf seiner Ostseite in einen Platz mit Nahversorgungs- und Gastronomieangeboten sowie dem südlichen Bahnhaltepunkt als Abschluss des urbanen Bands. Platz und Park grenzen unmittelbar an die Promenade des Alltags - ein autofreier Nahmobilitätsstreifen, der alle Nachbarschaften miteinander verbindet und das Rückgrat für das urbane Band mit allen übergeordneten Einrichtungen darstellt. Aufgrund der Nähe zur Autobahn erhält die Südseite des Clusters einen Gewerbestreifen als Lärmpuffer. Östlich des additiven Clusters folgte eine sechste Nachbarschaft mit mittlerer Dichte und geringer Dicht im Norden aufgrund der unmittelbaren Anbindung an den Bestand. Im Süden wird das AZH als Lärmpuffer zur Autobahn vorgesehen. Im Osten schützt eine gewerbliche Bebauung einschl. Quartiersgarage vor dem Lärm der B455.
LANDSCHAFT UND FREIRAUM
Für die örtliche Identität prägende Strukturen werden hervorgehoben und durch prominente Baumpflanzungen wie Alleen und Reihen hervorgehoben. Dazu gehören Wege, die schon vor der letzten Flurneuordnung an gleicher Stelle lagen. Ausgeräumte Bereiche hingegen werden um neue Strukturen für die Biodiversität, aber auch für den alltäglichen Aufenthalt beim Spaziergang, ergänzt – Feldgehölze, Solitärbäume, Blühstreifen und kleine Picknickflächen.
Mittlere Landschaft_Das stark zerschnittene Wäschbachtal wird nach historischem Vorbild mit Streuobstwiesen gestaltet, die von den neuen Bewohner:innen gepachtet werden können. Die mittlere ‚Biehler Landschaft‘ vereint alle Ansätze in sich und bietet darüber hinaus weitere Wiesenflächen für Freizeitsport und das Spielen in der Natur, zwischen ehemaligen Sukzessionsstrukturen und neuen Urban- Gardening-Flächen. Im Bereich des Sandabbaus soll in den kommenden Jahren ein gesteuerter Restabbau erfolgen, um einen sanft geneigten Hang und einige Hangkanten mit Südausrichtung zu hinterlassen. Hier entstehen auf natürliche Weise blühende und artenreiche Magerwiesen. Nur am Rand der Flächen führt der Rundweg entlang. Von dem die Tram begleitenden Hauptweg gelangt man über Serpentinen und entlang kleiner Ausblicksbalkone in die sandigen Flächen.
BKA-Freiräume_Ein Band von Freiräumen zieht sich von Süden nach Norden durch den gesamten Campus und lässt für jeden Bau eine eigene Adresse entstehen. Durch das Verspringen der Gebäude entstehen kleine Nischen und Orte, an denen sich Gruppen zusammensetzen können. Der südliche Bereich wird vom Sportplatz dominiert, der von einem breiten Weg umgeben ist. Im Block-Inneren entstehen diskrete und ruhige Treffpunkte für die Pausen. Von der Bundesstraße aus sieht man den Campus an akzentuierten Stellen, an denen der Baumwall geöffnet wird und markante Gebäude inszeniert werden. Von Westen sieht man die Silhouette mit vorgelagerten Baumhainen. Von Süden kommend blickt man von der Fahrrad- und Trambrücke ebenfalls durch die geöffnete Vegetation. In diesen akzentuierten Blickachsen wird das Pflegemanagement so abgestimmt, dass hier hohe, einschürige Wiesen entstehen, die sich sanft im Wind bewegen. Der offenen Sicht und Übersichtlichkeit wird hier eine besondere Atmosphäre verliehen, die zum Markenzeichen des Campus wird.
Biehlerstadt-Freiräume_Das Biehler Wäldchen wird erhalten und als zentraler Ruheort behutsam geöffnet, sodass ein lichter Park-Wald entsteht, in dem man sich entspannen kann. An geeigneten Stellen wird auf den historischen Grundriss des Forts subtil hingewiesen. Am Rand des Wäldchens beginnt der Biehler Landschaftspark, der bis in die Abbau-Folge-Landschaft leitet. Große Wiesenflächen laden zum Spielen und Entspannen ein. Die Ränder werden begleitet von kleinen Plätzen für Kinderspiel und urbanen Sport. Der vielarmige Freiraum wird großzügig von der Sonne beschienen und fällt zu drei Seiten ab. Nördlich angrenzend an den Stadtteil entstehen urbane Gärten im Übergang zur Kulturlandschaft. Gemeinschaftsgärten und Mietgärten wechseln sich ab mit Flächen zum Spielen und Grillen. Über die gesamte Fläche werden Obstbäume verteilt, die man pachten kann. Gerahmt wird die Fläche von dem Weg auf der alten Mainzer Landwehr, die den Raum mit einer Baumreihe abschließt.