Tobias-Mayer-Quartier, Esslingen

Zukunftsfähige Transformation
im Rahmen der IBA `27

Projektpartner:
Architektengruppe Kist Waldmann & Partner
FRA – Fischer Rüdenauer Architekten
GrüneWelle Landschaftsarchitektur

Wettbewerb 2021
4. Rang

Bruttobauland: 40.937 qm
Neubau 445 WE

Leitidee
Mit dem Tobias-Mayer-Quartier schlagen wir eine offene, grüne und zugleich urbane Struktur vor. Es entsteht eine auf den Ortsteil Hohenkreuz zugeschnittene Lösung, welche sich in die bestehende Umgebung einfügt und im Rahmen des Zielbildes der IBA einen Akzent zu setzen vermag. Die Verkopplung einer hohen baulichen Dichte mit qualitätsvollen Freiräumen versteht sich vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung, dessen Anspruch der Entwurf auf vielfältigen Ebenen umsetzt. So verschwindet die Palmstraße auf dem südlichen Abschnitt zugunsten eines räumlichen, identitätsstiftenden Kontinuums, in dem das Auto keine große Rolle spielt. Zwischen der Kantinestraße und Am Schönen Rain entwickelt sich räumlich abwechslungsreich ein Wegesystem, welches bei Bedarf mit Schrittgeschwindigkeit befahren werden kann.

Identität und Einbindung
Das Quartier gewinnt seine Identität durch unverwechselbare Stadträume. Im Zentrum befindet sich eine platzartige Aufweitung in der Verlängerung der Pfaffenackerstraße, wodurch eine der wenigen Wegebeziehung aus dem Bestand aufgegriffen wird. Hier bietet ein Begegnungshain eine besondere Form der Quartiersmitte, welcher zu jeder Tageszeit - belebt oder unbelebt - über eine eigene Qualität verfügt. Der informelle Charakter verlangt nicht viel von den Menschen, die diesen Ort nutzen, aber er bietet ein großes Potential. Kleiner, übersichtlicher und multifunktional nutzbar sind dagegen die Generationenspielräume nördlich und südlich davon. Es handelt sich um kleine nachbarschaftliche, kommunikative Plätze mit unterschiedlichen Ausblicken. Im Süden bietet die Kirche einen wichtigen Orientierungspunkt. Darüber hinaus gewähren die offenen Höfe Einblicke in ihren halböffentlichen Raum. Nach Osten geht der Blick in die benachbarte Grünfläche mit dem beeindruckenden Baumbestand jenseits der Grundstücksgrenze. Beim nördlichen Platzraum kommt dem Bezug zum erhaltenen Teilstück der Palmstraße eine große Bedeutung zu, da hierüber die Blick- und Wegebeziehung zur Wäldenbronner Straße hergestellt wird. Im nördlichen Bereich haben die bestehenden Höfe einen geeigneten Maßstab, sodass die entfallenden Gebäude lediglich durch neue Gebäude mit einer größeren Tiefe und einer höheren Geschossigkeit ersetzt werden und die städtebauliche Struktur erhalten bleibt.

Typologien
Die Typologien des neuen Quartiers greifen den Bestand auf und schreiben ihn über eine leichte Transformation in der Höhenentwicklung fort. Es handelt sich um Winkel - wie die zu erhaltenden Gebäude an der Tobias-Mayer-Straße, Riegel - vergleichbar mit den Gebäuden östlich des Plangebiets und Punkthäuser - in Anlehnung an die Bebauung östlich und westlich des zu erhaltenden Abschnitts der Palmstraße. Die Winkel bilden oder ergänzen Wohnhöfe und prägen darüber eine eigene räumliche Qualität des Halböffentlichen mit Gemeinschaftsgärten. Eine differenzierte Geschossigkeit erleichtert die Erschließung und Nutzung von Dachgärten. Riegel und Punkthäuser verlangen ein geringeres städtebauliches Bekenntnis und bilden Übergänge nach Norden, Osten und Süden aus. Insgesamt entsteht eine große typologische Bandbreite, auch hinsichtlich der Höhen- und Grundrissentwicklung. Als besonderes Gebäude tritt das IBA-Experimentierfeld in Erscheinung.

IBA Experimentierfeld
Das IBA-Gebäude bildet in Zusammenhang mit dem großzügigen Freiraum das Zentrum des städtebaulichen Entwurfs. Der siebengeschossige Neubau mit einer geschichteten, konstruktiv filigran strukturierten Holzkonstruktion mit integrierter Fassadenbegrünung charakterisiert die IBA-Prinzipien. Das Fassadengerüst kann je nach Anforderung für Balkone, Loggien, Wintergärten, PV Elemente oder Begrünungsfelder genutzt werden. Eine flexible Grundkonstruktion mit zentralem Erschließungskern und ringförmig angeordneten Nass- und Funktionsräumen ermöglicht die gewünschten unterschiedlichen Wohntypologien. Das Erdgeschoss mit öffentlichen Nutzungen wie Co-Working, Café, Quartierstreffpunkt, Car-Sharing Point, Bikeshop etc. schafft die Nutzungsverflechtung zum städtebaulichen Umfeld. Das oberste Geschoss erhält einen Gemeinschaftsraum mit angeschlossener, nutzbarer Terrassenfläche als Treffpunkt und Aufenthaltsfläche sowie urban gardening.
Das Tragwerk des IBA Gebäudes ist als zeitgemäße Holzkonstruktion vorgesehen, bestehend aus Brettsperrholzdecken auf Brettschichtholzträgern und Brettschichtholzstützen. Die Außenwände sind in Teilen als Holzrahmenbauwände vorgesehen, die tragenden Innenwände werden als massive Brettsperrholzwände ausgeführt. Die erforderliche Feuerwiderstandsdauer der Holzdecken, Holzstützen und Holzwände wird durch die entsprechenden Abbrandquerschnitte oder durch Beplankung sichergestellt. Das EG, die Decke über EG mit angegliederten Begrünungströgen, das Treppenhaus und der Aufzugsschacht werden konventionell in Stahlbeton ausgeführt. Die Horizontalaussteifung erfolgt durch die Deckenscheiben, den Stahlbetonkern und weitere ausgewählte durchgehende Massivholz-Wandscheiben. Die Gründung ist mit einer elastisch gebetteten Stahlbetonbodenplatte oder mit Einzel- und Streifenfundamenten vorgesehen, in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Baugrunduntersuchung. Soweit möglich, zulässig und verfügbar, wird für die Stahlbetonarbeiten Recyclingbeton eingesetzt.

Nutzung + Wohnformen
Das Tobias-Mayer-Quartier ist überwiegend ein Wohnquartier. Gewerbliche und gemeinschaftliche Nutzungen werden in den Erdgeschossen der Neubauten Wäldenbronner Straße und Palmstraße, sowie beim IBA-Gebäude angeboten. Die neue Kindertageseinrichtung ist im 6. BA geplant, im Erdgeschoss bzw. Sockelgeschoss und 1.OG. Die Kita-Außenspielfläche entwickelt sich in Hanglage um das Gebäude herum.
Die geplanten Wohnungen sind darauf ausgelegt, über eine lange Lebensdauer den Bedürfnissen von verschiedenen Menschen - Singles, Familien und anderen Formen des Zusammenlebens - gerecht zu werden, und gleichzeitig müssen sie für die künftigen Bewohner*innen finanzierbar sein. Im Tobias-Mayer-Quartier sind überwiegend kleine Miet- und Eigentumswohnungen geplant, mit Schwerpunkt auf Zweizimmerwohnungen. Die Wohnungsgrößen entsprechen weitestgehend dem Landeswohnraumfördergesetz. Alle Wohnungen, sowie das Untergeschoss und die Tiefgarage, sind über einen Aufzug stufenlos erreichbar.
Zur Förderung nachbarschaftlicher Kontakte bieten wir überwiegend großzügig gestaltete Hauszugangs- und Treppenhausbereiche an. Innerhalb der unterschiedlichen Gebäudetypologien sind verschiedene Wohnungstypen und Erschließungslösungen geplant. Neben Vierspännertypen mit natürlich belichtetem Treppenhaus werden innerhalb der 13,50m tiefen Neubauten zugunsten erhöhter Wirtschaftlichkeit in den Winkelecken auch Mehrspännertypen mit bis zu sieben Wohnungen pro Geschoss über einen Aufzug erschlossen. Dies ist bei mehr als vier Wohnungen pro Geschoss möglich durch einen separaten notwendigen Flur mit Brandschutztür, die in der Regel geöffnet bleibt und nur im Brandfall schließt.
Die 5x11m-Feuerwehraufstellflächen für 4-7-geschossige Gebäude können im Bereich der multifunktional befestigten Flächen im Quartiersinneren integriert werden. Wohnungen in den oberen Geschossen in rückwärtigen Gebäudebereichen sind für die Feuerwehr über großzügige Balkone zugänglich.

Bauabschnitte
Wir schlagen vor, das Baugebiet in bis zu acht Bauabschnitten zu realisieren, wobei auch mehrere Bauabschnitte zusammengefasst werden könnten.
Zunächst könnte im 1. BA die Bestandsbebauung der Baugenossenschaft ergänzt und das IBA-Experimentierfeld errichtet werden. Die weiteren Bauabschnitte entwickeln sich von Süden nach Norden. Die Tiefgarage ist mit insgesamt vier Zufahrten geplant und unterirdisch verbunden, somit wird die Tiefgarage nach und nach mit im Zuge Bauabschnittsrealisierung errichtet und kann nach Abschluss eines Bauabschnittes genutzt werden.

Mobilität
Die Erschließung des Quartiers erfolgt primär über die Tobias-Mayer-Straße, welche im Zweirichtungsverkehr ausgebaut wird. Die Palmstraße kann daher verkürzt und ab der Kantinestraße zurückgebaut werden. Mit der Verzweigung in die Beethovenstraße verläuft die Palmstraße im Einrichtungsverkehr, welcher sich über die Kantinestraße fortsetzt. Dies ermöglicht den Einbau eines breiten Fußweges entlang der Palmstraße, sodass aus dem Quartier eine attraktive Nahmobilätsachse zur Wäldenbronner Straße angeboten werden kann. Die Nahmobilätsachse erstreckt sich über ein Netz von Mischverkehrsflächen zudem nach Südenosten in Richtung Stankt Bernhardt. Die
multifunktional befestigten Flächen im Quartiersinneren gewährleisten die Anfahrbarkeit und Aufstellflächen für Rettungsfahrzeuge sowie Möbelwagen.
Der ruhende Verkehr wird weitgehend in Tiefgaragen untergebracht. Lediglich das IBA-Haus verfügt über keine Tiefgarage. Eine Car-Sharing-Station vor dem Haus reduziert den Stellplatzschlüssel, sodass die wenigen notwendigen Stellplätze zusammen mit den Besucherstellplätzen straßenbegleitend zu ebener Erde untergebracht werden können. Für Fahrräder einschließlich Lastenräder werden großzügige und gut erreichbare Abstellflächen ober- wie unterirdisch vorgesehen.

Grün- und Freiflächen
Die Konzeption der Freiräume zielt darauf ab, abwechslungsreiche, lebhafte Lebensräume für die Bewohner des Quartiers zu schaffen. Eine kohärentes Freiraumnetzwerk spült sich durch das Quartier und bindet die Baukörper zu einer ablesbaren Ganzheit zusammen. Private, halbprivate und öffentliche Freiräume werden miteinander verknüpft und in eine dynamische Beziehung gesetzt, um ein kommunikatives, soziales Leben im Quartier zu befördern. Gemeinschaftshöfe, Gemeinschaftsgärten, Generationenspielräume, Dachgärten mit Urban Gardening und eine nutzungsoffene Quartiersmitte mit Begegnungshain laden die Bewohner*innen ein, zusammenzukommen und die Freiräume co-kreativ zu bespielen. Einladende Sitzstufen umspielen einen begrünten Freiraum mit Retentionsfunktion, der bei Starkregen kurzzeitig mit dem sich anstauenden Wasser sein Erscheinungsbild verändert.
Spielraum für Kinder, Erwachsene und Senioren werden als integraler Bestandteil der Freiraumgestaltung realisiert und nicht in abgezäunte Spielplätze verbannt. Ein Schutz der privaten Intimsphäre und eine Entschärfung freiräumlicher Nutzungskonflikte bleiben die Voraussetzung für ein konfliktfreies Miteinander.
Im Sinne doppelter Innenentwicklung wird nicht nur eine hohe Wohndichte im Quartier erreicht, sondern eine besondere Qualifizierung und Nutzungsdichte der urbanen Freiräume, die besonderes Augenmerk auf stadtklimatische und ökologische Aspekte des urbanen Grüns richten. Eine starke Durchgrünung mit zahlreichen Gehölzen und Fassadenbegrünung verhindert die Aufheizung des Quartiers und sorgt für Schatten und Verdunstungskühlung. Extensive, naturnahe Grünflächen reduzieren den Bewässerungs- und Pflegeaufwand und erhöhen dabei Biodiversität und Artenschutzwert. Teilbereiche der Grünflächen sind als Tiefbeete modelliert und dienen einer erlebbaren, nachhaltigen Regenwasserbewirtschaftung. Bei Starkregenereignissen werden die tiefliegenden Pflanzflächen temporär mit Regenwasser überstaut. Das Wasser wird zurückgehalten, verdunstet, versickert und gedrosselt der Vorflut zugeführt.
Die Anordnung der Tiefgarage überwiegend unter den Gebäuden lässt einen großen Grundstücksanteil unversiegelt und ermöglicht die Pflanzung großkroniger Bäume mit Erdanschluss.

Nachhaltigkeit + Wirtschaftlichkeit
Das neue Quartier reagiert auf die veränderten Lebensbedingungen durch den Klimawandel und hat gleichzeitig zum Ziel, klimaneutral zu sein. Das Konzept greift die Herausforderungen der Energiewende im urbanen Raum auf und zielt auf eine sektorenübergreifende Vernetzung der Gebäude- und Mobilitätsinfrastruktur (Smart Grid). Ziel ist das „Smarte Quartier“, das eine effiziente Energieversorgung und einen ressourcenschonenden Umgang mit Baumaterialien beinhaltet. Hierzu werden möglichst viele Neubauten in Hybrid- oder Holzbauweise realisiert oder ausgestaltet, sodass in Zukunft flexibel auf mögliche Nutzungsänderungen baulich reagiert werden kann. Neubauten werden hierbei im Standard KfW Effizienzhaus 55 oder besser gebaut. Die vorgeschlagene Bebauung besteht aus kompakten Gebäudetypen, die mit kleinem Oberflächen-/Volumenverhältnis niedrige Baukosten und geringe Energieverbräuche erwarten lassen. Eine wirtschaftliche Tragkonstruktion sowie die Anbindung von Bädern und Küchen an wenige Steigschächte trägt zur Reduzierung der Baukosten bei.
Die Flachdachflächen bilden die Basis für eine Photovoltaiknutzung unter Einbeziehung einer extensiven Begrünung. Mit den Photovoltaik-Anlagen können die elektrischen Energieverbräuche regenerativ gedeckt werden.
Die weitgehende Begrünung unter Einbeziehung von Dach- und Fassadenflächen schafft ein angenehmes Mikroklima und ist in Kombination mit dem auf Versickerung und Rückhaltung ausgerichteten Regenwassermanagement ein Beitrag zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung.

Städtebau


Alter Leipziger Bahnhof, Dresden

Quartiersentwicklung Weihersberg, Stein

Gartenschau 2029, Vaihingen an der Enz

Nördlich Osttor, Münster-Hiltrup

Quartiersentwicklung Reichenhalden, Empfingen

Biotechnologie-Campus, Mainz

Baugebietsentwicklung Kalverdonk, Meerbusch

Stadtquartier Nierstein, Jülich

Quartiersentwicklung Stapfel West, Balingen

Werthviertel Neuwied

Fennpfuhler Tor, Berlin

Gewerbliche Entwicklung Flughafen Essen-Mülheim

Lange Rekesweg, Göttingen

Dreilingsweg München

Nägelesee-Nord, Gundelfingen

Itterhöfe Hilden

Kardelquartier, Baienfurt

Allgäuer Tor Memmingen

Gesamtschule Nord+, Kassel

Quartier Mühlbachäcker, Tübingen

Schönefeld-Nord

Wohnquartier am Medienberg, Mainz

Rauher Kapf West, Böblingen

Steinbruch Nord, Beckum

Bahnhofspark Stuttgart-Zuffenhausen

Möhl-Areal, Köln-Dellbrück

Malerviertel III, Dormagen

Köln-Kreuzfeld: 4 Quartiere – ein Veedel

Niersenbrucher Höfe, Kamp-Lintfort

Am Sandhaus, Berlin-Buch

Breewiese Marl

Metro-Campus Düsseldorf

Gallus-Quartier, Tübingen-Derendingen

Am alten Güterbahnhof, Duisburg

Stuttgart Schafhaus

Schuberthöfe, Köln

Leidenhausener Gärten, Köln

Sparkassanareal Cappeler Straße, Marburg

Frankfurter Nordwesten

Regnitzstadt Erlangen

Bühl III, Lörrach

Uni (kommt) in die Stadt, Siegen

Jüchen-West

Landpartie Landau

Stadtnest Neuperlach, München

Münchner Nordosten

Haunstetten Südwest, Augsburg

Landesgartenschau Leinefelde-Worbis

Bieber Waldhof West, Offenbach

Der neue Stöckach, Stuttgart